Diadem und Petticoats

In unserem kleinen Dorf waren Anfang der Sechziger Jahre die gesellschaftlichen Ereignisse rar gesät. Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, Taufen, aber auch da musste man verwandtschaftlich oder bekanntenmäßig verbandelt sein, um daran teilnehmen zu können. Der einzige Höhepunkt im Jahr war die Kirmes im Oktober, und zwar in den Sälen der beiden Gastwirtschaften Hofmann und Pitz.

Nun stand im Sommer 1963 ein großes Ereignis bevor – das 85-jährige Jubiläum des Gesangvereins „Frohsinn Steinheim“.

 

Einige Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren waren für einen besonderen Auftritt ausgesucht worden. Begleitet vom Männerchor des Gesangvereins sollten wir den „Donauwalzer“ tanzen. Eine Tanzlehrerin aus Nidda, Mary Müller, wollte mit uns den Tanz einüben, ihre Enkelin, die Ballettuntericht hatte, war unsere Solistin.

Wichtiger als die Frage nach den Tanzschritten war für uns Teenager das Kleid. Es war für alle gleich: weiß, das Oberteil aus gemustertem Brokatstoff und der Rock, das war der Hit! Sechs Bahnen Tüll übereinander, darunter ein gestärkter Petticoat! Uns als Krönung des Ganzen war eine Perlenkette in unserem Haar als Diadem umfunktioniert worden.

Wir waren acht Mädchen, natürlich alle unverheiratet, und probten nun wochenlang unsere Schritte und Bewegungen. Es sollte alles synchron sein, was selten gelang.

Im Juni wurde auf einer Wiese vor dem Dorf ein großes Zelt aufgebaut, der Tanzboden war unsere Bühne. Ein großes Bühnenbild mit der Donau war von einem Steinheimer Bürger (Gustel Schön oder Alfred Schwarzer?)  gemalt worden und diente als Hintergrund. Sogar eine blaue Illumination wurde installiert, die bei unseren weißen Kleidern gut zur Geltung kam. Es kamen viele Gastchöre, die ihre Lieder darbrachten. Vor lauter Lampenfieber habe ich wenig davon mitbekommen, außerdem war bei einem Chor mein heimlicher Schwarm und späterer Mann dabei, der ebenfalls meine Aufmerksamkeit erforderte.

Unser Auftritt klappte prima, wir bekamen viel Beifall und mussten etliche Zugaben geben. Dazu hatten wir eine Polonaise nach Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ einstudiert. Unser Tanz hatte vielen Gästen so gut gefallen, dass wir noch für weitere Auftritte im Sommer gebucht wurden. In Erinnerung geblieben sind mir Lich und Eckartsborn.

Am Sonntagnachmittag zog dann ein großer Festzug durch den Ort. Wir marschierten, mit Blumenkörben ausgestattet, strahlend und winkend mit. Allen voran unter einem Bogen aus Fichten die Ehren-Festdame.

Das war nach meiner Konfirmation der erste Höhepunkt meiner Jugendzeit. Zum Glück sollten noch viele weitere folgen.

 Bericht und Bild: Annelie Schneider