Gesangverein „Frohsinn“ – Ausflug 1936

Freitag, 31. August 1984, Hungen-Steinheim (rb).

Ausflüge zum Rhein sind keine Seltenheit in den vielen, oft sehr alten Chroniken der Gesangvereine. Der Fluß, der seit langer Zeit als »deutschester« aller Ströme gilt, ist mit vielen Geschichten, Sagen und Legenden verknüpft. Und sein Mythos hat Dichter und Komponisten von Heinrich Heine bis Richard Wagner zu schwermütigen Balladen, zu Opern oder fröhlichen Trinkliedern inspiriert. Er scheint also geradezu prädestiniert für Ausflüge von Sängern an seine Ufer. Nur wenige aber blieben den Ausflüglern wohl so sehr im Gedächtnis wie jene zweitägige Fahrt im Juli des Jahres 1936 den 33 Mitgliedern des Gesangvereines »Frohsinn«.

Per Bus hatten sich die Sänger am Morgen auf den Weg gemacht, waren in froher Stimmung durch den Taunus und das Lahntal über Weilburg und Bad Ems nach Koblenz gefahren und hatten dort Quartier bezogen. Damit auch die weniger »betuchten« Mitglieder die Reise mitmachen konnten, hatte man zuvor in der Singstunde, die zweimal wöchentlich stattfand – je nach den finanziellen Möglichkeiten – eine Spende in die Reisekasse gezahlt. Bei Preisen von 2.50 Reichsmark für eine Übernachtung und 15 Reichspfennigen für ein Bier wurde das Budget auch nicht übermäßig strapaziert, zumal aus Gründen der Sparsamkeit meist je zwei Teilnehmer der Rheinfahrt in einem Bett nächtigten.

In Koblenz im Hotel »Höhenhaus« revanchierte man sich für die freundliche Bewirtung dann auch mit einigen Liedern, die im Wechsel mit der Hauskapelle vorgetragen wurden. »Ganz spontan und ohne jede Verabredung geschah das damals«, erinnert sich Rudolf Theiss, der damalige Vorsitzende des Steinheimer Gesangvereines. Am frühen Sonntagmorgen wanderte man dann hinauf zum »Deutschen Eck«, der Landzunge zwischen Moselmündung und Rhein, und am Denkmal für Kaiser Wilhelm I. erklang das alte Lied: »Brüder, reicht die Hand zum Bunde«.

Burg Stolzenfels am Rhein war die nächste Station der Reise, und wer sich müde gewandert und gesungen hatte, der konnte im Damensitz auf einem der drei schmächtigen Eselchen Platz nehmen, die im geduldigen Trott die Besucher zur Burg hinauftrugen. Über Bacharach ging es dann mit dem Schiff nach Aßmannshausen und eine herrliche Wanderung zum 1883 errichteten Niederwalddenkmal schloß sich an.

 
In Rüdesheim setzten die Steinheimer mit der Fähre über nach Bingen, wo der Bus des Zweckverbandes Nidda bereits auf sie wartete. In Gau-Algesheim kehrten sie beim Weinlieferanten des Vereinswirtes »Pitze-Wilhelm« aus Steinheim ein. Festlich mit Girlanden und »Willkommen«schild war der Weinkeller geschmückt und mit ihren Liedern bedankten sich die Ausflügler für die reichliche Bewirtung. Es war fast Mitternacht, als die 33 Steinheimer wieder zuhause ankamen.

Der Gesangverein »Frohsinn«, der heute fast noch die selbe Mitgliederzahl wie damals hat, ist noch oft an den Rhein gefahren. Von den alten Sangesbrüdern aber waren nach dem Kriege nur noch wenige dabei und von ihrem Ausflugsziel, dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal, erinnert heute nur mehr der Sockel an die vergangene Pracht. Die Anekdoten vom Eselsritt und den Liedern zur Hotelkapelle aber werden unverändert weitergegeben und haben in der Vereinsgeschichte ihren unwiderruflichen Platz.

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